Mit Urteil vom v. 28.4.2022 hat der EuGH (C-642/20) die Frage, ob Art. 63 RL 2014/24/EU in Verbindung mit den Art. 49, 56 AEUV dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der das bevollmächtigte Unternehmen einer Bietergemeinschaft, die an einem Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags beteiligt ist, mehrheitlich die in der Vergabebekanntmachung vorgesehenen Kriterien erfüllen und die Leistungen dieses Auftrags erbringen muss, bejaht.
Zwar sehe Art. 19 II RL 2014/24/EU vor, dass die Mitgliedstaaten Standardbedingungen dafür festlegen können, in welcher Form Bietergemeinschaften die Anforderungen in Bezug auf die wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit oder die technische und berufliche Eignung nach Art. 58 der Richtlinie zu erfüllen haben. Selbst wenn jedoch die Fähigkeit zur Ausführung kritischer Aufgaben unter den Begriff „technische Eignung“ iSd Art. 19 und 58 RL 2014/24/EU fallen sollte, was es dem nationalen Gesetzgeber erlauben würde, sie in die Standardbedingungen nach Art. 19 Abs. II der Richtlinie aufzunehmen, gehe eine Regelung, die den Bevollmächtigten der Bietergemeinschaft verpflichtet, selbst die Mehrheit der Aufgaben direkt auszuführen, über das hinaus, was die Richtlinie zulässt.
Eine Anforderung nationaler Gesetzgeber, die sich auf „Leistungen“, die „mehrheitlich“ erbracht werden müssen, erstrecke, laufe einem solchen Ansatz zuwider, gehe über die in Art. 63 II RL 2014/24/EU verwendeten betreffenden Begriffe hinaus und beeinträchtige damit das mit den einschlägigen Unionsvorschriften verfolgte Ziel, den Bereich des öffentlichen Auftragswesens einem möglichst umfassenden Wettbewerb zu öffnen und kleinen und mittleren Unternehmen den Zugang zu erleichtern. Sie verlange, dass die Leistungen mehrheitlich nur vom Bevollmächtigten der Gruppe unter Ausschluss aller anderen an ihr beteiligten Unternehmen erbracht wird, und schränke damit den Sinn und die Tragweite der in Art. 63 II RL 2014/24/EU verwendeten Begriffe in unzulässiger Weise ein.
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